„Wo gibt es Musikunterricht für 10 Euro?“
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: PM der AGF: Sechster Armuts- und Reichtumsbericht: Dauerhaft hohe Belastungen von Familien und hohe Kinderarmut
Sechster Armuts- und Reichtumsbericht: Dauerhaft hohe Belastungen von Familien und hohe Kinderarmut
Berlin, 25. Juni 2021 – Die in der AGF zusammengeschlossenen Familienverbände fordern anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte zum 6. Armuts- und Reichtumsbericht eindringlich, die Entlastung von Familien und die Bekämpfung der Kinderarmut effektiver zu gestalten. Der Bericht dokumentiert den Stillstand beim Abbau sozialer Ungleichheit und sozialer Benachteiligung von besonders belasteten Familien.
„Die im 6. Armuts- und Reichtumsbericht eindrücklich beschriebene Verfestigung von Armuts- und Reichtumslagen zeigt, dass die bisherige Politik nicht ausreicht, um Familienarmut zu verhindern und Aufstiegschancen für alle Kinder zu gewährleisten. Wir dürfen uns nicht an den hohen Anteil armer Kinder gewöhnen und dass ihnen die gesellschaftliche Teilhabe und die Perspektive auf einen sozialen Aufstieg verweigert wird“ fordert Sidonie Fernau, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen. „Besonders hohe Armuts- und Teilhaberisiken tragen Alleinerziehende, Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit Migrationsgeschichte.“
Formal hinterlässt der 6. Armuts- und Reichtumsbericht für die AGF einen ambivalenten Eindruck. Die analytischen Teile sind aus Sicht der Familienorganisationen weitgehend gelungen. Dem selbstgesetzten Anspruch, „eine mehrdimensionale Betrachtung sozialer Lagen“ im Zeitverlauf vorzunehmen, würde der Bericht im Wesentlichen gerecht und bilde damit eine wichtige Datenquelle auch für die familienpolitische Diskussion. Jedoch sei der Eindruck zu den politischen Maßnahmen ein völlig anderer: Hier bliebe die Aufzählung der Initiativen der Bundesregierung ein Flickenteppich der Legitimation des Regierungshandelns. Impulse für eine effektive Armutsbekämpfung finden sich hier nicht, was insbesondere angesichts der Corona-Pandemie besonders bedauerlich sei.
Die Familienorganisationen fordern von der kommenden Bundesregierung wirksame Maßnahmen der Familienentlastung und der Bekämpfung von Kinderarmut sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zentral seien neben einer familiengerechten Gestaltung der Arbeitswelt u.a. eine bessere Qualität der Kinderbetreuung und Bildung, eine Erhöhung, Vereinfachung und Entbürokratisierung von Familienleistungen, eine gerechtere Einbeziehung der finanziell starken „Schultern“ bei der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben, eine neue zeitpolitische Debatte um die Entlastung von Familien sowie die Senkung der Mehrwertsteuer für Produkte für Kinder und Familien (7% für Kinder).
Petra Windeck in der taz über Kinderarmut in Deutschland
Die Landesgeschäftsführerin des Deutschen Familienverbandes NRW sprach bei der taz über die Kinderarmut in Deutschland und warum sie so stigmatisiert. Den kompletten Artikel finden Sie hier:
"BERLIN taz | Die eigentliche Nachricht verbirgt sich hinter der Meldung. Im Februar 2018 erhielten 1.006.163 SchülerInnen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) des Bundes. Das meldet die Passauer Neue Presse, in Bezug auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Auffällig ist: Bei der Zahl der LeistungsempfängerInnen steht Nordrhein-Westfalen (NRW) mit 300.000 Schulkindern an der Spitze vor Niedersachsen (117.000) und Berlin (98.000): Von dem Geld kaufen Eltern ihren Kindern Stifte, Blöcke und Schulbücher. Auffällig ist auch: Zwar hat eine Million Kinder BuT-Leistungen erhalten – aber rund 2,5 Millionen hätten Anspruch darauf.
„Wir haben bundesweit ein kleines Wirtschaftswunder, und gleichzeitig steigende Kinderarmut“, sagt Petra Windeck vom Deutschen Familienverband NRW. Etwa 15 Prozent der Menschen gelten hierzulande als arm. Bei den Kindern ist der Anteil höher: 19 Prozent leben in Armut, in den Neuen Bundesländern sind es 25 Prozent. In Berlin lebt ein Drittel der Kinder in einem Haushalt, der staatliche Leistungen erhält. In manchen Städten wie Gelsenkirchen sind es über 40 Prozent. Dass NRW die Statistik anführe, sei einfach zu erklären, sagt Windeck. „NRW ist das bevölkerungsreichste Land mit dem höchsten Anteil an Kindern.“
Armut ist in Deutschland extrem erblich: Das geht aus einer kürzlich erschienenen OECD-Studie hervor. Hierzulande dauere der Aufstieg von ganz unten bis in die Mitte der Gesellschaft rund 180 Jahre, etwa sechs Generationen. Im Mittel aller großen Industrie- und Schwellenländer brauche er knapp fünf Generationen. Das BuT sollte die Aufstiegschancen erhöhen.
2011 unter der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeführt, sieht es einen Zuschuss für Familien vor, die Sozialhilfe, Wohn- oder Arbeitslosengeld beziehen. Auf Kritik, das BuT schaffe Hürden, wandte von der Leyen ein, der Antrag sei ein „einfacher Ankreuzer“. Tatsächlich ist für jedes Kind und jede Leistung ein gesonderter Antrag erforderlich – teilweise müssen Schule und Kita den Antrag unterschreiben.
Unangenehm vor Mitschülern
„Man darf auch nicht unterschätzen, wie stigmatisierend diese Einzelbeantragung wirkt“, sagt Windeck. „In Schulen ist es häufig so, dass die anderen Kinder mitbekommen, wenn ein Kind Zuschüsse erhält.“ Um dem Gefühl des Stigmas zu entgehen, verzichteten viele Familien. Zumal die Leistung die Kosten oft nicht deckt: Die Diakonie Niedersachsen hat ermittelt, der jährliche Schulbedarf koste im Schnitt 220 Euro. Das BuT stellt 100 Euro zur Verfügung. Erhöht wurde das noch nie.
„Das BuT ist in seiner Höhe willkürlich“, sagt Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise e. V. „Warum der Schulbedarf nicht 99 oder 112 Euro beträgt, konnte mir niemand begründen. Das Gleiche gilt für die Teilhabeleistung von 10 Euro im Monat für Dinge wie Sport oder Musik. Wo gibt es Musikunterricht für 10 Euro?“ 2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, das Existenzminimum müsse statistisch hergeleitet sein. „Seit 2011 werden die Bedarfe für Kinder aus einer eigenen statistischen Erhebung ermittelt“, sagt Steger. „Aber das BuT blieb außen vor.“
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Verwaltungskosten: Das BuT ist auch für Ämter aufwendig. Ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sagt der taz, für 2017 hätten die Länder Ausgaben von 645,8 Millionen Euro gemeldet. Zum Anteil der Verwaltungskosten lägen keine Erkenntnisse vor, doch das statistische Bundesamt habe den jährlichen Aufwand generell mit rund 136 Millionen beziffert. Wenn’s reicht. Für 2014 ermittelte das ZDF-Magazin Frontal 21 einen Verwaltungskostenanteil von 180 Millionen. Bei BuT-Ausgaben von 710 Millionen Euro floss also je 3 Euro pro Kind 1 Euro in die Bürokratie.
Wie ließe sich die Förderung zielgenauer gestalten? Windeck sagt: „Aktuell wird Armut vererbt. Um Ausgrenzung zu vermeiden, muss Schulbildung wieder kostenlos werden, samt Schulbüchern und angegliederten Institutionen für Nachhilfe, Kultur und Sport.“ In den 70er und 80er Jahren war freie Bildung auch in Deutschland gesellschaftliches Ziel. Damals war man ihm näher, und die Zahlen waren besser: In den 70ern kamen 1,8 Bildungsaufstiege auf einen -abstieg, in den 80ern drei Aufstiege auf einen Abstieg.
Heute zeigt sich ein neuer Trend. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Pew Research Center schrumpft die Mittelschicht stetig, und jeder Prozentpunkt Schwund bedeute: Die Hälfte steigt auf, die andere ab. Eine bessere Quote als ganz unten. Da bewegt sich wenig: bis zu 180 Jahre lang."
- Quelle: taz.de
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